Dem generischen Maskulinum sein Tod

Gendern, gendern, gendern. Ein leidiges Thema, so oft es kommt und geht – es bleibt dabei immer im Hinterkopf. Sprache wird nun mal gesprochen, Worte werden geschrieben. Und so kommen wir nicht vorbei an der Pronomisierung innerhalb der deutschen Sprache und der Frage – wie gehen wir damit um? Daher machen wir diese Woche ein etwas größeres Fass auf: Wie können wir gendersensible Sprache etablieren?


Das generische Maskulinum, das uns schon seit Ewigkeiten an der Backe klebt ist doch schwerer zu verbannen als erahnt. Bereits seit den 1970er Jahren versuchen SprachwissenschaftlEr und SozialwissenschaftlEr hierfür eine Lösung zu finden. Wir wollen uns also nicht anmaßen heute eine solche präsentieren zu können. Viel wichtiger ist es uns zu sensibilisieren für eine Sprache, die nicht exkludiert und zuordnet sondern die alle anspricht. Alles was nun folgt ist also nichts weiter als ein Denkanstoß – vielleicht ja dennoch ein Schubser in eine Richtung, den wir alle brauchen.


Im Januar 2019 hat Hannover die geschlechterneutrale Sprache eingeführt. Die rund 11.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadt sollen sie bei jeglicher öffentlicher Kommunikation anwenden – bei Prospekten, Formularen, Briefen. Die Folge? Tausende erboste Leserbriefe, Empörung, Shitstorms ohne Ende. Warum eigentlich?


Kritik an einer gendergerechten Sprache ist ziemlich simpel runterzubrechen auf die folgenden First-World-Problems: Verkünstlichte Gleichstellung (wow!), Verkomplizierung einfacherer Ausdrücke und der Verlust der Ästhetik von Linguistik. Ich muss zugeben, als ehemalige Linguistik-Studentin ist die Ästhetik von Linguistik ein Punkt bei dem ich kurz (ganz kurz nur!) hängen bleiben musste.


Dennoch: ganz schön viele alte, weiße Männertränen, die hier fließen! 


Ein weiterer Vorwurf ist, dass die unterschiedlichen Versuche, also Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkte, der Komplexität der Wirklichkeit nicht gerecht würden. Unsere Sprache könnte gar nicht so umfassend verändert werden, dass es eine vollständige Geschlechtergerechtigkeit gäbe. Ja, stimmen wir zu! Aber muss sie das? Soll sie das? Warum denn überhaupt GESCHLECHTERgerechtigkeit? Was hat unser biologisches Geschlecht mit unserer gesellschaftlichen Identitätszuordnung zu tun?


Das Problem ist natürlich vielschichtig: Wie werden wir Menschen gerecht, die sich binär nicht zuordnen möchten? Wie werden wir Identifikationsmerkmalen einer gesamten Gesellschaft gerecht, sodass jede*r (wir entscheiden uns mal ganz kurz für die gewählte *-Variante) sich angesprochen fühlt? Das Gerundium (Studierende, anstatt beispielsweise Student*innen) als Lösung ist meiner Einschätzung nach nur eine Vermeidung und Umgehung der Problematik. Geht es ja gerade darum, Minderheiten respektvoll anzusprechen und nicht offen zu lassen, ob sie überhaupt gemeint sind. Immerhin ermöglicht das Einsetzen eines * oder : ganz natürlich schon mal ein bewusstes Sprechen und Schreiben und damit kann sowohl bei Sprecher*in/Schreiber*in als auch Hörer*in/Leser*in ein bewussterer Umgang mit der Sensibilität für gemeinte Gruppen entstehen. 


Fragen über Fragen, die wir heute sicher nicht beantworten können aber die uns die Chance bieten uns und unsere Sprache zu hinterfragen: Was kann ich tun, um mit meinen Worten eine möglichst breite Fläche der Gesellschaft zu inkludieren?


Vielleicht ist gerade dies die Sollbruchstelle für uns persönlich. Wie können wir eine Kommunikation und Sprache etablieren, in der eben diese Vorprägung (unseren) Kindern möglichst erspart wird. Sind wir nun mal eine (Kinder-)Bekleidungsmarke, die gender-neutral ihre Produkte konzipiert und vermarktet, ist das für uns natürlich besonders relevant. Wir legen so viel Wert auf möglichst wenig Vorprägung und freie Entfaltung der eigenen Identität – alles beginnt jedoch mit der Sprache. 


Auch hier holt mich erneut mein Germanistik-Studium ein. Die Frage, ob Sprache eine Gesellschaft formt oder ob eine Gesellschaft die Sprache formt ist eine der wenigen in dieser Debatte, die meiner Meinung nach sehr einfach zu beantworten ist, wenn auch etwas pragmatisch: sowohl als auch! 


Sprache ist ein kleiner Mosaikstein in einer großen gesellschaftlichen Debatte. Forschung belegt, dass Sprache einen Effekt hat. In einer Studie wurden deutschen und belgischen Kindern im Alter von acht und neun Jahren verschiedene Listen mit Berufen vorgelegt. Wenn die Bezeichnungen sowohl männlich als auch weiblich waren, interessierten sich mehr Mädchen für männlich typisierte Berufe wie bei der Polizei und trauten Frauen in diesen Berufen mehr Erfolg zu. Langfristig kann sich die Sprache so auf die Gesellschaft auswirken. Wie schwer unsere Worte wiegen, die wir wählen, liegt also eigentlich auf der Hand.


Sprache ist eines der wenigen Werkzeuge, die auf Menschen Wirkung haben unabhängig von der emotionalen Bindung zwischen Sprecher*in und Hörer*in. Gerade deshalb ist es so wichtig sich mit dieser Thematik, so vielschichtig sie auch sein mag, einmal auseinander zu setzen und einen Weg zu finden, der vielleicht nicht die ideale Lösung darstellt, aber eine bessere Lösung ist. 


Sicher muss in irgendeiner Form hierfür ein Weg gefunden werden, und jeder Weg weg vom generalisierten Maskulinum ist ein Weg in die richtige Richtung. Es scheint ein sich ewig neu zu definierende Debatte zu sein und hoffentlich steht am Ende dieser die Möglichkeit, eine linguistische Lösung zu finden, Identifikationsmerkmale außerhalb vom biologischen Geschlecht zu sehen. In unserer Sprache und in unseren Köpfen – und bis dahin setzen wir fleißig Sternchen und hoffen dass jede*r sich angesprochen fühlt, egal wie er*sie*es sich identifiziert.

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